Jutta Glasers neues Album ist wie eine Reise rund um die Welt. Klänge, Instrumente, Rhythmen, Melodien und Sprachen aus aller Herren Länder hat die Leimener Jazzsängerin auf ihrer neuen CD versammelt. Sie klingt, als wolle die Vokalistin den ganzen Planeten umarmen.
mehr über das Album
mehr über die Musiker
Ein einschmeichelndes rumänisches Wiegenlied („Joc de Leagane“) steht neben einem sonnigen Tanzstück aus Haiti („Wangolo“), eine melodieselige englische Folk-Ballade („I Will Give My Love An Apple“) folgt auf eine deutsche Mittelalterweise („Es geht eine dunkle Wolke herein“), die von dunkel pochenden Trommeln unterlegt ist. Selbst eine aberwitzig verstiegene Jodel-Improvisation zählt zum Repertoire.
Jutta Glaser interpretiert dieses äußerst abwechslungsreiche, vielfältige Programm mit einer wunderbar wandlungsfähigen Stimme, die wohlklingende Melodien ebenso intoniert, wie sie abenteuerliche Kapriolen schlägt. Bei denen werden schon auch mal die Grenzen zum Geräusch überschritten. Zwischen ihre Interpretationen von Volksliedern hat die Sängerin nämlich freie Improvisationen eingestreut.
„Tierische“ Improvisationen
Die hat sie Tierarten gewidmet. Und so zwitschert sie in diesen Free-Jazz- Exkursionen schon mal wie ein Vogel, meckert, gurrt und kiekst. Dann wieder brabbelt sie, dass man meint, ein kleines Kind zu hören – nur um im nächsten Moment ein Grummeln zu vernehmen, das ein Greis von sich gegeben haben könnte. Dabei fasziniert die Vokalistin in den konventionellen
Liedtextinterpretationen mit einem angenehm warmen, noch immer erstaunlich mädchenhaften Timbre.
Was sie stimmlich bietet, ist also in der Tat spektakulär. Aber Jutta Glaser versteht es, den Eindruck des allzu Experimentellen, Abgehobenen zu vermeiden – weil ihr Gesang selbst in den freiesten Momenten so natürlich und geerdet klingt. Er ist beseelt von der Liebe zur Melodie, mit der Glaser selbst zu Jörg Teicherts sirrenden Slide-Gitarren-Verschleifungen den Verlassenheits-Blues „Reconsider Baby“ eher züchtig und „sauber“ im Stil einer englischen Folk-Diseuse intoniert als dreckig-expressiv; was man sich vielleicht eher wünschen würde.
Was hier an emotionaler Tiefe verlorengehen mag, gewinnt Glasers Darbietung an Verbindlichkeit. Denn ein weiteres Merkmal ihrer Stilistik ist die Freude am Geschichten-Erzählen – auch wenn manche Geschichten avantgardistisch sind. Etwa in „Afero kun Baleno“, einer Art Geisterbeschwörung für (instrumental eingesetzte) Stimme, Kontrabass und Gongs, in der gespenstische Klänge nur so aus Glasers Kehlkopf hervorzusprudeln scheinen.
Ein Erfolgsrezept ihres Albums liegt darin, dass sie eine exzellente Band um sich geschart hat, die sie hörbar inspiriert. Allen voran die Heidelberger Musikerin Zélia Fonseca (selbst eine grandiose Sängerin, die hier aber ausschließlich als Gitarristin zu hören ist) und ihr brasilianischer Landsmann Marcio Tubino (Saxofon, Flöte, Percussion).
Beide prägen mit ihrem Sinn für raffiniert eingesetzte Rhythmen und musikalischen Raum einen Gutteil der 13 Stücke. So verwandeln sie etwa „Joc de Leagane“ in ein Stück imaginäre Folklore: Mit geheimnisvoll gehauchten Flötentönen und sanft perlender Gitarre transportieren sie das Schlaflied in einen verwunschen Ort der Fantasie.
Mächtige Bass-Fundamente
Philipp Wolfart verankert das Ensemble souverän mit mächtigen Kontrabass- Fundamenten. Ein ums andere Mal öffnet er damit abgründige Tiefen; fast ein wenig in der Art des legendären Jazz-Bassisten Charlie Haden steigt er hinab in sinistre Szenerien der menschlichen Psyche. Neben dem bereits erwähnten Jörg Teichert an der Slide-Gitarre setzen als Gäste Cordula Reiner-Wormit (Harfe), Elisa Herbig (Cello) und Jochen Satt (Gongs, Bambusflöte) klangmalerische Akzente.
Bis als versteckter „hidden track“, also ein nicht aufgelistetes Bonusstück, ein Mitsinglied für alle Zuhörenden die CD beschließt, schillert die Musik auf „Kantoj“ 63 Minuten lang opulent in prächtiger Farbenvielfalt. So lange darf der Traum von der Weltumarmung seine Faszination entfalten – ein schöner Traum. Aber letztlich wohl auch eine äußerst zerbrechliche Illusion.
© Mannheimer Morgen, Freitag, 26.07.2019
All diese Eindrücke vermischten sich, wurden verwahrt und später verändert ins Leben zurückgesungen.
Heute ist Jutta Glaser funktionale Stimm- und Atemtypen-Trainerin und Stegreif-Coach. Seit über 25 Jahren singt sie in verschiedenen Formationen. Zusammenarbeit mit Horst Jankowski, Bill Ramsey, Günter Lenz, David Friesen und Lembit Saarsalu, Michael Koschorreck, Jochen Brauer, Frederic Hormuth und vielen anderen.
Duo mit Claus Boesser-Ferrari, Trio mit Zélia Fonseca und Angela Frontera.
Zusammenarbeit mit Bernhard Sperrfechter (git) und Erwin Ditzner (dr), Projekt mit Heidi Aydth (Piano), Projekt mit Dichtern "Fromaasch" (Poesie und Musik).
Zusammenarbeit mit "Söhne Mannheims", „Bigband 70”, „Rhine-Stream Jazzband”, Corinna Clack, Thomas Siffling.
Mehrere CD-Produktionen, Tourneen in Neuseeland, Estland, Rußland und vielen anderen europäischen Ländern, u.a. mit dem Targa Novoje Mond Trio.
Auftritte in Varietes, Festivals, Funk und Fernsehen.
Jutta Glaser lebt in Leimen bei Heidelberg mit Mann und Tochter.
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mehr über das Album
von Georg Spindler, Mannheimer Morgen:Ein einschmeichelndes rumänisches Wiegenlied („Joc de Leagane“) steht neben einem sonnigen Tanzstück aus Haiti („Wangolo“), eine melodieselige englische Folk-Ballade („I Will Give My Love An Apple“) folgt auf eine deutsche Mittelalterweise („Es geht eine dunkle Wolke herein“), die von dunkel pochenden Trommeln unterlegt ist. Selbst eine aberwitzig verstiegene Jodel-Improvisation zählt zum Repertoire.
Jutta Glaser interpretiert dieses äußerst abwechslungsreiche, vielfältige Programm mit einer wunderbar wandlungsfähigen Stimme, die wohlklingende Melodien ebenso intoniert, wie sie abenteuerliche Kapriolen schlägt. Bei denen werden schon auch mal die Grenzen zum Geräusch überschritten. Zwischen ihre Interpretationen von Volksliedern hat die Sängerin nämlich freie Improvisationen eingestreut.
„Tierische“ Improvisationen
Die hat sie Tierarten gewidmet. Und so zwitschert sie in diesen Free-Jazz- Exkursionen schon mal wie ein Vogel, meckert, gurrt und kiekst. Dann wieder brabbelt sie, dass man meint, ein kleines Kind zu hören – nur um im nächsten Moment ein Grummeln zu vernehmen, das ein Greis von sich gegeben haben könnte. Dabei fasziniert die Vokalistin in den konventionellen
Liedtextinterpretationen mit einem angenehm warmen, noch immer erstaunlich mädchenhaften Timbre.
Was sie stimmlich bietet, ist also in der Tat spektakulär. Aber Jutta Glaser versteht es, den Eindruck des allzu Experimentellen, Abgehobenen zu vermeiden – weil ihr Gesang selbst in den freiesten Momenten so natürlich und geerdet klingt. Er ist beseelt von der Liebe zur Melodie, mit der Glaser selbst zu Jörg Teicherts sirrenden Slide-Gitarren-Verschleifungen den Verlassenheits-Blues „Reconsider Baby“ eher züchtig und „sauber“ im Stil einer englischen Folk-Diseuse intoniert als dreckig-expressiv; was man sich vielleicht eher wünschen würde.
Was hier an emotionaler Tiefe verlorengehen mag, gewinnt Glasers Darbietung an Verbindlichkeit. Denn ein weiteres Merkmal ihrer Stilistik ist die Freude am Geschichten-Erzählen – auch wenn manche Geschichten avantgardistisch sind. Etwa in „Afero kun Baleno“, einer Art Geisterbeschwörung für (instrumental eingesetzte) Stimme, Kontrabass und Gongs, in der gespenstische Klänge nur so aus Glasers Kehlkopf hervorzusprudeln scheinen.
Ein Erfolgsrezept ihres Albums liegt darin, dass sie eine exzellente Band um sich geschart hat, die sie hörbar inspiriert. Allen voran die Heidelberger Musikerin Zélia Fonseca (selbst eine grandiose Sängerin, die hier aber ausschließlich als Gitarristin zu hören ist) und ihr brasilianischer Landsmann Marcio Tubino (Saxofon, Flöte, Percussion).
Beide prägen mit ihrem Sinn für raffiniert eingesetzte Rhythmen und musikalischen Raum einen Gutteil der 13 Stücke. So verwandeln sie etwa „Joc de Leagane“ in ein Stück imaginäre Folklore: Mit geheimnisvoll gehauchten Flötentönen und sanft perlender Gitarre transportieren sie das Schlaflied in einen verwunschen Ort der Fantasie.
Mächtige Bass-Fundamente
Philipp Wolfart verankert das Ensemble souverän mit mächtigen Kontrabass- Fundamenten. Ein ums andere Mal öffnet er damit abgründige Tiefen; fast ein wenig in der Art des legendären Jazz-Bassisten Charlie Haden steigt er hinab in sinistre Szenerien der menschlichen Psyche. Neben dem bereits erwähnten Jörg Teichert an der Slide-Gitarre setzen als Gäste Cordula Reiner-Wormit (Harfe), Elisa Herbig (Cello) und Jochen Satt (Gongs, Bambusflöte) klangmalerische Akzente.
Bis als versteckter „hidden track“, also ein nicht aufgelistetes Bonusstück, ein Mitsinglied für alle Zuhörenden die CD beschließt, schillert die Musik auf „Kantoj“ 63 Minuten lang opulent in prächtiger Farbenvielfalt. So lange darf der Traum von der Weltumarmung seine Faszination entfalten – ein schöner Traum. Aber letztlich wohl auch eine äußerst zerbrechliche Illusion.
© Mannheimer Morgen, Freitag, 26.07.2019
mehr über die Musiker
Als Kind kam Jutta Glaser schon früh mit seltenen Klängen der Instrumentenwelt in Kontakt: Der Vater spielte Singende Säge, der Großvater Akkordeon. Die Mutter wurde "Die weiße Taube" genannt (weil sie wohl gurrte wie ein Täubchen?). Aufgewachsen in einer Großfamilie und geprägt von der kleinen katholischen Gemeinde wurde alles Hörbare und Unerhörte aufgenommen. Das Stimmband als Tonband: die sakralen Gesänge in der Kirche, wie die Natur und die Volksweisen, die Schlager, Rock, Jazz und klassische Musik aus dem Radio.All diese Eindrücke vermischten sich, wurden verwahrt und später verändert ins Leben zurückgesungen.
Heute ist Jutta Glaser funktionale Stimm- und Atemtypen-Trainerin und Stegreif-Coach. Seit über 25 Jahren singt sie in verschiedenen Formationen. Zusammenarbeit mit Horst Jankowski, Bill Ramsey, Günter Lenz, David Friesen und Lembit Saarsalu, Michael Koschorreck, Jochen Brauer, Frederic Hormuth und vielen anderen.
Duo mit Claus Boesser-Ferrari, Trio mit Zélia Fonseca und Angela Frontera.
Zusammenarbeit mit Bernhard Sperrfechter (git) und Erwin Ditzner (dr), Projekt mit Heidi Aydth (Piano), Projekt mit Dichtern "Fromaasch" (Poesie und Musik).
Zusammenarbeit mit "Söhne Mannheims", „Bigband 70”, „Rhine-Stream Jazzband”, Corinna Clack, Thomas Siffling.
Mehrere CD-Produktionen, Tourneen in Neuseeland, Estland, Rußland und vielen anderen europäischen Ländern, u.a. mit dem Targa Novoje Mond Trio.
Auftritte in Varietes, Festivals, Funk und Fernsehen.
Jutta Glaser lebt in Leimen bei Heidelberg mit Mann und Tochter.